Toeplitz Kolloquium Wintersemester 2022/23
Kolloquium zur "Didaktik und Geschichte der Mathematik"
Datum: 17. Oktober 2022 - 23. Januar 2023
Ort: Mathematikzentrum, Lipschitz-Saal, Endenicher Allee 60, 53115 Bonn
Organisatoren: Rainer Kaenders und Walter Purkert
Montag, 17. Oktober 2022
16:00 - 16:30 | Tee und Kaffee |
16:30 - 17:50 | Offizielle Einsetzung des Otto-Toeplitz-Gedächtnisfonds und Vorstellung der Hirzebruch-Sammlung der Mathematischen Bibliothek |
17:50 - 18:15 | Tee und Kaffee |
18:15 - 19:45 | Nobert Schappacher (Straßburg): Die hilfsbereite Vielseitigkeit des Polyhistors der Mathematik Erich Bessel-Hagen |
Montag, 14. November 2022
16:00 - 16:30 | Tee und Kaffee |
16:30 - 18:00 | Rolfdieter Frank (Koblenz): Das 288-Zell, ein schwarzes Loch im vierdimensionalen Raum |
Montag, 12. Dezember 2022
16:00 - 16:30 | Tee und Kaffee |
16:30 - 18:00 | Lorenz Halbeisen (Zürich): Das Theorem von Poncelet |
Montag, 23. Januar 2023
16:00 - 16:30 | Tee und Kaffee |
16:30 - 18:00 | Stephan Berendonk (Wuppertal): Über Analogisieren und Verallgemeinern als beweisgeleitete Tätigkeiten |
Abstracts:
Norbert Schappacher (Straßburg): Die hilfsbereite Vielseitigkeit des Polyhistors der Mathematik Erich Bessel-Hagen
Es lohnt sich an den Mathematiker und Mathematikhistoriker Erich Bessel-Hagen zu erinnern. Dies soll der Vortrag zeigen. Das Ziel ist aber kein möglichst vollständiger Abriss seiner Biographie. Vielmehr wird ein Kaleidoskop von Begegnungen Bessel-Hagens präsentiert. Neben Hausdorff und Toeplitz treffen wir Emmy Noether, Carl Ludwig Siegel, Betty Backe, André Weil, Kurt Heegner und andere.
Rolfdieter Frank (Koblenz): Das 288-Zell, ein schwarzes Schaf im vierdimensionalen Raum
Ein Oktaeder hat 24 Drehsymmetrien. Beschreibt man diese Drehungen wie in der
Computergrafik üblich durch Quaternionen vom Betrag 1, so erhält man 48 Quaternionen, denn $q$ und $-q$ beschreiben dieselbe Drehung. Diese 48 Quaternionen bilden bezüglich der Multiplikation eine Gruppe, die „binäre Oktaedergruppe“. Geometrisch kann man sie als 48 Punkte im $\mathbb{R}^4$ deuten. Deren konvexe Hülle ist ein Polytop, dessen 288 Zellen kongruente nicht regelmäßige Tetraeder sind. Geht man dagegen von den Drehsymmetrien eines Quaders, eines Tetraeders oder eines Ikosaeders aus, so erhält man jeweils ein regelmäßiges Polytop. Dass 288-Zell ist also das schwarze Schaf unter diesen 4 Polytopen. In Wikipedia findet man viele Eigenschaften des 288-Zells, allerdings ohne Begründung und mit einer falschen Projektion. Im Vortrag zeige ich, wie man diese Eigenschaften im Zusammenspiel von Algebra, Geometrie, Gruppentheorie und Kombinatorik einfach herleiten kann, und wie die Projektion zu korrigieren ist. Dual zum 288-Zell ist das archimedische Polytop, dessen 48 Zellen kongruente Würfelstümpfe sind. Beide Polytope kann man durch semilineare Abbildungen in die zugehörigen Sternpolytope transformieren.
Lorenz Halbeisen (Zürich): Das Theorem von Poncelet
Nach einer geschichtlichen Einführung in die Theorie der Kegelschnitte, welche mit Apollonius von Perge beginnt, wird der Satz von Pascal für Kegelschnitte behandelt, welcher für Kreise mit Hilfe des Peripheriewinkelsatzes bewiesen wird. Danach werden verschiedene Formen des Satzes von Pascal formuliert - unter anderem der Satz von Briachon. Durch geschicktes Kombinieren dieser Sätze wird dann ein Beweis des Satzes von Poncelet gegeben. Zum Schluss wird ein neueres Resultat vorgestellt, welches zeigt, dass der Satz von Poncelet auch auf sechs verketteten Kegelschnitten gleichzeitig gelten kann.

Stephan Berendonk (Wuppertal): Über Analogisieren und Verallgemeinern als beweisgeleitete Tätigkeiten
Beim Betreiben von Mathematik, insbesondere beim Definieren, Analogisieren und Generalisieren, greifen wir typischerweise auf vorhandene Beweise zurück. Wir versuchen diese auf unbekanntes Terrain zu übertragen und dabei so weit wie möglich an den Beweisideen festzuhalten. Die bestehenden Beweise bieten unserem Denken bei der Suche nach geeigneten Definitionen und interessanten Sätzen eine Orientierung.
Dass Beweise im Kontext des Entdeckens nicht nur Ziel, sondern auch Ausgangspunkt und Werkzeug mathematischer Betrachtungen sein können, ist eine bezogen auf das Wesen der Mathematik grundlegende Einsicht, deren schulische Vermittlung fortwährend didaktische Aufmerksamkeit verdient. Im Vortrag soll die hier angesprochene entdeckende Funktion von Beweisen an einfachen elementarmathematischen Beispielen entfaltet werden.